Seltene Erden: Kritische Rohstoffe für die Energiewende stehen im Kreuzfeuer
Seltene Erden: Kritische Rohstoffe für die Energiewende stehen im Kreuzfeuer
Leichte Seltene Erden (SE), wie Neodym oder Samarium, sind wichtige Rohstoffe für die Energiewende und die Elektromobilität. Mit SE können besonders starke Permanentmagneten hergestellt werden, die in Generatoren von Windkraftanlagen und in Antriebsmotoren von Elektrofahrzeugen eingesetzt werden. Das Besondere an SE-Magneten ist das geringe Gewicht. Dies ist in den Anwendungen der Windkraft (Generator ist in der Kanzel der Windräder montiert) und der Mobilität (Gewicht und Bauraum des Elektromotors) besonders wichtig. SE sind zudem unerlässlich für moderne Elektronikbauteile und viele weitere Technologiefelder.
Ein Großteil der Vorkommen für die leichten SE ist in China. Es gibt weitere Vorkommen, insbesondere in den USA und Australien, doch deren Abbau ist noch in den frühen Phasen. Zudem ist die Weiterverarbeitung der SE (insbesondere das Aufschließen der Erze und die Separation in die einzelnen SE) Investitions- und Knowhow-Intensiv. Der Betrieb der Wertschöpfungskette birgt Umweltrisiken, deren Management aufwändig und teuer ist. Aus diesen und anderen Gründen haben westliche Akteure die Wertschöpfungskette der SE über mehrere Jahrzehnte nicht aktiv vorangetrieben bzw. sogar, bis vor wenigen Jahren, zurückgebaut.
Als Resultat hat China momentan eine dominierende Stellung im SE-Markt. Die chinesische Regierung hat bereits früh den wirtschaftlichen Wert der SE-Vorkommen erkannt und über die letzten Jahrzehnte konsequent eine umfassende Wertschöpfungskette aufgebaut. Deng Xiaoping prägte den in China (und in der Branche) bekannten Satz: „Der mittlere Osten hat Öl, China hat Seltene Erden.“ Im Jahr 2011 kam es aufgrund mehrerer Faktoren zu einer Verknappung des SE-Exports aus China, wodurch die SE-Preise in die Höhe schnellten. Gleichzeitig wurde die Relevanz der SE für wichtige Zukunftsfelder, z.B. Windkraft, Elektromobilität und Elektronik, überdeutlich. Die nicht-chinesischen Industrienationen setzten sich daraufhin aktiv mit der Kritikalität der SE auseinander und entwickelten Strategien, um ihren jeweiligen Industrien diese wichtigen Rohstoffe zu sichern. SE wurden z.B. in das Programm des von der Europäischen Kommission gegründeten Instituts EIT Raw Materials aufgenommen. Im Rahmen des EU-Programms Horizon 2020 fördert EIT Raw Materials verschiedene industrienahe Forschungsprogramme zum Thema SE, inklusive Recycling und Kreislaufwirtschaft. Ein anders Beispiel: Japan verfolgt einen aktiveren Ansatz in der Wertschöpfungskette und investiert direkt in den Aufbau von Bergwerken und Weiterverarbeitung in Asien. Auch die USA haben die Aktivitäten entsprechend ihrer eigenen Strategie aufgesetzt.
Ein Praxisbeispiel verdeutlicht die Relevanz des Themas. Ein Elektrofahrzeug mit einem SE-Antrieb benötigt ca. 3-4 % weniger Antriebsenergie als ein Fahrzeug mit SE-freiem Induktionsmotor. Auf eine jährliche Laufleistung von 15.000 km bei einem Verbrauch von 20 kWh/100km gerechnet, ergibt sich ein elektrischer Energiebedarf von 3.000 kWh. Nach 13 Jahren (Durchschnittsalter von PKW in Deutschland) wurden knapp 40.000 kWh Energie benötigt. Mit einem SE-Motor reduziert sich die Energie um 4%, also etwa 1.600 kWh. Dennoch sind in den aktuellen Volumenmodellen der großen Hersteller mehrheitlich Induktionsmotoren verbaut. Ein Faktor ist sicherlich, dass die Hersteller die Abhängigkeit von einem einzigen Lieferland nicht eingehen möchten und daher ein Substitut bevorzugen. Hieraus ergeben sich mindestens zwei Problemfelder. Zum Einen vergeben wir als Gesellschaft in einem Bereich, in dem um jedes Prozent der Energieeinsparung hart gekämpft wird, ein signifikantes Einsparpotential, welches wir durch erhöhte Stromproduktion ausgleichen müssen. Zum Anderen haben deutsche Fahrzeughersteller (eine Säule unserer Wirtschaft!) einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Konkurrenten aus Ländern, für die die Versorgungssicherheit unkritisch ist. Dies zeigt, wie wichtig eine konstruktive Auseinandersetzung mit dem Thema gerade für Deutschland ist.
Zur konstruktiven Diskussion aller beteiligten Regionen und Akteure gründete eine Gruppe von Forschern der belgischen KU Leuven im Jahr 2019 die Rare Earth Industry Alliance (REIA). Nach einer vorbereitenden Kickoff-Session in Berlin im Februar 2019 fanden im Juni und im November 2019 REIA-Konferenzen in Brüssel statt. REIA-Mitglieder und Teilnehmer kommen momentan aus allen großen Regionen, inklusive z.B. Europa, Japan, China, den USA und Australien.
Wir von Berners Consulting tragen unsere Erfahrungen in der Stärkung der Nachhaltigkeit in der Lieferkette für SE-Magnete bei. Bei den REIA-Veranstaltungen im Februar und im Juni 2019 stellten wir, gemeinsam mit der Brugger GmbH, das von uns durchgeführte Projekt zur Stärkung von Umwelt und Arbeitsschutz in der chinesischen Lieferkette vor. In diesem Projekt, welches zwei Mal von der Bertelsmann Stiftung als Finalist des Nachhaltigkeitspreises „More than a Market Award“ ausgezeichnet wurde, arbeiteten wir mit vier chinesischen Lieferanten zusammen. Inzwischen ist die Zahl der teilnehmenden chinesischen Lieferanten auf sieben gestiegen.
Wir sind zudem in Diskussionen mit chinesischen und deutschen Behörden, um die chinesische Seite auch in der gesamten SE-Wertschöpfungskette zu unterstützen.
Bei Fragen zu kritischen Rohstoffen wenden Sie sich bitte an Miriam Fritz, mfritz@bernersconsulting.com